Gesundheitsminister Alain Berset hat die Überarbeitung des elektronischen Patientendossiers (EPD) in die Vernehmlassung geschickt. Neu muss Widerspruch einlegen, wer kein elektronisches Dossier will. Das ist ein wichtiges Signal. Die Arbeiten bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen müssen aber auch über das EPD hinaus vorangetrieben werden.
Der «Network Readiness Index» von 2022 zeichnet ein schmeichelhaftes Bild von der Schweiz: In der Rangliste der Länder, die am meisten technologieorientiert sind, wird unser Land auf Platz 5 geführt. Die Schweiz gehöre zu den Vorreitern im «neuen digitalen Zeitalter», heisst es.
Wir alle wissen: Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Vor allem bei digitalen Alltagsanwendungen wie beispielsweise der E-Identität, der E-Abstimmung oder dem elektronischen Patientendossier (EPD) hinkt unser Land hinterher. Im EPD werden die wichtigsten Informationen über die Gesundheit jedes Einzelnen gebündelt. Die Informationen sind überall und rund um die Uhr auf einer App abrufbar. Die Patienten entscheiden, wer Zugriff auf ihre Daten hat. Dänemark führte das EPD schon vor 20 Jahren ein und gilt in Europa als Vorbild. Auf dem Portal in Dänemark befinden sich unter anderem E-Rezepte oder eine elektronische Patientenakte. Sogar die Einwilligung zur Organspende ist möglich. Eine Ausweitung auf ein Impfportal wäre ebenfalls wünschenswert.
In der Schweiz wurde 2020 im Kantonsspital Baden das erste EPD eröffnet. Seit drei Jahren sind die Spitäler in der Schweiz verpflichtet, sich diesem Projekt anzuschliessen. Getan haben dies laut Bundesamt für Gesundheit aber erst 44 Prozent. Inzwischen kann auch jede Privatperson in der Schweiz ein elektronisches Patientendossier anfordern. Doch bis Mai 2023 haben das gerade einmal 20’000 Menschen getan. Nicht einmal Gesundheitsminister, Bundesrat Alain Berset, hat ein EPD, wie die Tamedia-Zeitungen kürzlich berichteten. Eine Sprecherin des Departements wurde mit den Worten zitiert: «Bundespräsident Berset plant dann ein Patientendossier zu eröffnen, wenn er dies öffentlichkeitswirksam tun kann.»
Immerhin gab Alain Berset Ende Juni bekannt, dass er die Überarbeitung des Patientendossiers in die Vernehmlassung schickt. Es ist als letzter Weckruf für das EPD zu verstehen. Sein Vorschlag sieht vor, dass auch Hausärzte, Apothekerinnen und Apotheker und Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zukünftig verpflichtet werden, das EPD zu nutzen. Neu soll die Regelung gelten: Wer in der Schweiz wohnt und kranken- oder militärversichert ist, soll grundsätzlich ein solches elektronisches Patientendossier bekommen. Wer kein Dossier will, muss beim Kanton innerhalb von drei Monaten Widerspruch einlegen. Das elektronische Patientendossier wird kostenlos sein. Mit dem neuen Gesetz soll der Bund die Weiterentwicklung des Patientendossiers koordinieren und finanzieren, die Kantone sind für die Finanzierung der Umsetzung vor Ort in sogenannten Stammgemeinschaften verantwortlich. Die Vernehmlassung dauert noch bis Mitte Oktober.
Haltung des FGS: Die Überarbeitung des elektronischen Patientendossiers ist dringend notwendig. Heute kostet die Anbindung der Spitäler an das Patientendossier lediglich viel Geld, ohne einen wirklichen Zusatznutzen zu stiften. Auch für Privatpersonen ist es viel zu kompliziert, ein Dossier zu eröffnen. Angesichts der stark steigenden Kosten im Gesundheitswesen ist es jedoch mehr denn je angezeigt, beim elektronischen Patientendossier zügig vorwärtszumachen, weil damit die Qualität der Gesundheitsleistungen gesichert und Kosten gespart werden können. Weitere Schritte bei der Digitalisierung und der Sekundärnutzung von Daten müssen mit dem für Ende Jahr angekündigten Programm DigiSanté vorangetrieben werden.