Zahlreiche Arzneimittel sind in der Schweiz nicht oder nur eingeschränkt erhältlich. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe nennt konkrete Vorschläge, wie die Situation verbessert werden kann. Der Politik obliegt es nun, Rechtssicherheit zu schaffen und die richtigen Anreize zu setzen.
Wer vom Schmerzmittel Paracetamol Filmtabletten à 500 mg benötigt, muss sich gedulden. Vom Breitband-Antibiotikum Ciprofloxacin, ebenfalls dosiert à 500 mg, gab es seit März dieses Jahres keine Lieferungen mehr.
Wie kann es sein, dass in einem Land wie der Schweiz, das eines der besten (und teuersten) Gesundheitssysteme weltweit unterhält, die Versorgung mit gewissen Arzneimitteln nicht gewährleistet ist? Der Schlussbericht des Bundesamts für Gesundheit, des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung, der Armeeapotheke und von Deloitte Consulting zu diesem Thema kommt zum Schluss: Die Situation ist primär auf den ökonomischen Druck bei gleichzeitiger Subventionspolitik und geringeren Regulierungsvorgaben (z.B. tiefere Umweltschutzanforderungen in Niedriglohnländern) zurückzuführen. Im Bericht werden fünf Massnahmen vorgeschlagen, um die Lage zu verbessern (siehe Box).
Die aktuelle Situation führt zu hohen Folgekosten. Die ökonomischen Auswirkungen der Versorgungsstörungen für die Schweiz werden im Bericht auf rund 240 bis 500 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Die Kosten für den störungsbedingten Aufwand, der beispielsweise in Apotheken oder ärztlichen Praxen entsteht, dürften rund 150 bis 310 Millionen Franken pro Jahr betragen.
Dass etwas passieren muss, ist offensichtlich. In der Wintersession haben es die Räte in der Hand, die richtigen Weichen zu stellen. In Diskussion ist im Nationalrat – einmal mehr – eine klare Regelung bezüglich der Vergütung neuer, innovativer Arzneimittel. Nachdem Swissmedic ein Medikament zugelassen hat, dauert es heute im Schnitt mehr als 300 Tage, bis das Bundesamt für Gesundheit den Preis für das Medikament festlegt. Das ist für Patientinnen und Patienten, die auf solche Behandlungen angewiesen sind, eine lange Zeit.
Um die Zulassung zu beschleunigen, hat der Nationalrat das Konzept einer vorläufigen Vergütung von Arzneimitteln ab dem ersten Tag der Zulassung durch Swissmedic aufgenommen, verknüpft mit einer Rückzahlungspflicht durch die Hersteller, sollte der definitive Preis tiefer liegen. Doch gegen den Vorschlag regt sich nun Widerstand. Hier braucht es endlich Rechtssicherheit.
Haltung des FGS: Es ist richtig, dass der Bundesrat eine Expertengruppe zum Thema eingesetzt hat. Die zahlreichen Lieferengpässe stellen eine ernsthafte Bedrohung unseres qualitativ hochstehenden Gesundheitssystems dar.
Folgende Massnahmen schlägt der Bundesrat vor, um die Engpässe bei den Arzneimitteln zu beenden:
- Lagerpflicht für weitere lebenswichtige Arzneimittel, um die Versorgung mit einer breiteren Palette absichern zu können. Die Finanzierung muss jedoch noch geregelt werden.
- Nicht zugelassene Medikamente sollen bei Engpässen für grössere Patientengruppen befristet eingeführt werden können. Zudem sollen die Zulassungsverfahren weiter vereinfacht und eine Teilnahme der Schweiz an europäischen Zulassungsprozessen geprüft werden.
- Für die Hersteller sollen Anreize geschaffen werden, lebenswichtige Medikamente zu produzieren. So soll – unter gewissen Bedingungen – auf eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit dieser Arzneimittel verzichtet werden. Denkbar ist auch, dass auf eine Preissenkung im Rahmen der dreijährigen Prüfung durch das BAG verzichtet würde.
- Der Bund soll Kapazitätsverträge mit Herstellern abschliessen können. Damit würde die Produktion einer gewissen Menge eines Medikamentes sichergestellt. Herrscht ein akuter Mangel eines Arzneimittels, wird die Eigenherstellung durch die Armeeapotheke geprüft.
- Die Schweiz will sich international dafür einsetzen, die Liefer- und Wertschöpfungsketten sicherer und widerstandsfähiger zu machen.